Vom Glatteis, Glück und der Frage, wann ein Glas halb voll ist…


Nein, es ist bestimmt nicht mein bestes Foto. Nicht einmal ein besonders gutes. 
Eher ein Anwesenheitsfoto nach dem Motto: Ich war da! 
Aber es hat eine Geschichte. Quasi eine Hintergrundgeschichte, denn sie ist dem Foto nicht anzusehen.

Burg Hohenurach
Canon 5DIII
Canon 70-200 EF f4.0 IS USM
Zeit 1/250, f8, ISO 100

Vom Glatteis, Glück und der Frage, wann ein Glas halb voll ist…

Was für ein Tag. Also, eigentlich, was für ein halber Tag. Denn alles was ich hier zu erzählen habe, spielte sich noch vor 12 Uhr ab. Aber erst mal der Reihe nach…
Heute ist Vollmond. Monduntergang war kurz vor Sonnenaufgang. Die richtigen Bedingungen für ein Foto der Burg Hohenurach bei Monduntergang. Denkste…

Ich also um 06.30 Uhr den Hund und die Fotoausrüstung gepackt und bei nur leichten Minusgraden Richtung Bad Urach losgefahren.

Einfach mal schonen:
Normalerweise würde ich ja am Fuße des Berges parken und bergaufwärts wandern. Aber da ich mir ja am Sonntag eine Zerrung geholt habe und noch immer Schmerzen verspüre, denke ich mir, fährste dann doch lieber mal an den Parkplatz am Höhenfreibad. Muss mich ja schonen.

Kein Winterdienst:
Nach der Abbiegung zum Parkplatz ein Schild: Kein Winterdienst! Kein Problem. Straßen sind ja frei. Hat ja nicht geschneit und auch nicht geregnet gestern. Also, einfach mal bergauf fahren.  - Äh, was ist das? Der Splitt auf der Straße ist optisch und akustisch deutlich wahrzunehmen. Und auch das Eis, in das die kleinen Steinchen eingebettet sind. Von wegen kein Winterdienst. Also, einfach weiterfahren. Gut 300 Meter bergan. Bis an die Linkskurve. Kurz danach kein Splitt mehr… aber Eis ist noch da!
Hilft nix, da muss ich durch. Also weiter bergan, schließlich gibt es ja immer wieder trockene Stellen auf der Straße. Also zumindest weitere 50 Meter. Dann nicht mehr. 

- Bad Urach – 6.45 Uhr am Morgen – Die Frisur sitzt und ich mit meinem Auto auch. Nämlich fest. 

Schön links am Straßenrand. Glücksfall Nummer 1: Es ist nicht die Hangseite!
Na dann, einfach langsam zurückrollen lassen. Gaaanz voooorsichtig. Nur seeeehr langsam rollen … äh, ich steh doch auf der Bremse … wieso bewege ich mich denn rückwärts? Und dann auch noch weiter auf den Berg zu??? OK, irgendwie Auto zum Halten bringen und aussteigen, umsehen und nachdenken.

Rettungsversuch 1 - Fehlanzeige:
Ich brauche Splitt. 150 Meter bergan ist das Schwimmbad. Da gibt es doch bestimmt Splitt oder Sand. Ich meine, in Schwimmbädern gibt es immer Sand. 15 Minuten später weiß ich: Der Weg war umsonst.

Rettungsversuch 2 – Dann eben bergab:
Also bergab. Ich hole meinen Hund aus dem Auto, schließlich sollte er ja Gassi gehen und gehe, mit einem Handtuch aus dem Auto bewaffnet, los. Auf dem Eis ist das nicht einfach. Hunde haben es mit 4 Beinen da einfach besser. Endlich am Ende der gestreuten Strecke angekommen sammele ich dort, wo viel Splitt auf einer Stelle liegt, diesen als Anfahrhilfe ein und packe ihn in das als Transportmittel mitgebrachte Handtuch. Als ich das zweite Mal los gehe, stelle ich fest, dass sich ein wunderschöner Sonnenaufgang ankündigt. Klar, der Mond ist ja auch schon untergegangen. Wollte ich nicht…? Naja, Hauptsache heil wieder zurückkommen.

Zwischenauftritt eines VW BUS:
Beim dritten Mal Splitt einsammeln, mein Hund schaut mich schon ganz komisch an, bin ich gerade Richtung Boden geneigt, als ein VW Bus um die Kurve biegt, an mir vorbei fährt und gleich wieder hinter der nächsten Biegung verschwindet. Ich kann den Fahrer nicht mal warnen dass mein Auto da oben… warten … ob der wohl auf mein Auto drauf fährt? Ich lausche. Höre keinen Aufprall und mache mich auf den Weg um die Biegung. Da sehe ich, wie derselbe Bus, der eben noch in Richtung meines Autos fuhr, sich quasi auf der Stelle dreht. Achtung: Glatteis!
Glücksfall Nummer 2: Der Bus kommt weder bis zu meinem Auto, noch kommt er von der Straße ab. Besser noch, er steht plötzlich wieder in Fahrtrichtung bergab und rollt, naja, eher rutscht ganz langsam die Straße hinunter. Auf meiner Höhe öffnet die Fahrerin das Fenster und sagt: Ganz schön glatt. –  Ach! Sie wünscht mir viel Glück bei meiner Unternehmung, das Auto wieder in Bewegung zu bekommen und rutscht von dannen.

Rettungsversuch 2 gescheitert:
Kurz gesagt, aller eingesammelter Split genügte nicht, auf einer ca. 0,5 cm dicken Eisschicht genug Grip zu bekommen. Glücksfall Nummer 3:  Ich bin mit einer tollen Frau verheiratet die mich bestimmt befreit!

Rettungsversuch 3 – familiäre Hilfe:
Hilft nix, ich brauche Streusalz. Also rufe ich Sabine an, die heute glücklicherweise erst am Nachmittag arbeiten muss. Während der Wartezeit gehe ich dann mit Phenollio ein paar mal bergauf und bergab. Schließlich soll er ja Bewegung haben. Ca. 40 Minuten später ist Sabine dann am Fuße der Bergstrecke angekommen und hat unser Streusalz dabei.

Endlich frei:
Also ein letztes Mal, diesmal zusammen mit Sabine, wieder bergauf wandern, das Salz vor die Räder und an besonders dick gefrorenen Bodenflächen verteilen und warten bis das Eis stumpf wird. Und endlich, ich schaffe es nicht nur mein Auto von der Stelle zu bekommen, sondern es auch auf der schmalen Fahrbahn zu wenden. Und so fahre ich gaaaanz laaaangsam, teilweise noch immer rutschend, wieder den Berg hinunter. Ca 2,5 Stunden nach meiner Fahrt bergauf! Und lange nach Sonnenaufgang und Monduntergang!

Jetzt erst recht! :
Nun, da ich jetzt schon da bin, wo ich normalerweise geparkt hätte, um zu Fuß den Berg zu erklimmen, beschließe ich, meinen Spaziergang verspätet doch noch durchzuführen. Sabine fährt nach Hause und ich lasse den Hund wieder aus dem Auto und wandere den Berg hinauf. Oh Mann, ich gehe total am Stock. Sprichwörtlich sogar an zwei Stöcken, denn jetzt weiß ich nämlich warum ich mir vor Wochen Trekkingstöcke gekauft habe. Die sind ganz praktisch beim Wandern mit einer Zerrung.

4,5 erkenntnisreiche Kilometer:

Ich also endlich losgewandert, kein Gedanke mehr an ein besonders gutes Bild, welches ich noch bei Anfahrt erhofft hatte. Aber ich will ja wenigstens den Berg hoch um zu sehen, welchen Ausblick ich vorfinde. Schließlich will ich ja mal für einen Sonnenaufgang und vielleicht auch für einen Monduntergang wiederkommen ;-)
Kaum bin ich weg vom Auto, weit genug um nicht umkehren zu wollen, kommt mir in den Sinn, dass ich zwei Dinge vergessen habe.

1. die Flasche Wasser aus meinem Kofferraum 
2. mein Smartphone, das ich für Notizen und zur Feststellung des Mondverlaufes gebraucht hätte. Hoffentlich klaut mir das keiner aus dem Auto, so offen wie das wohl daliegen muss.

Während meiner Tour bergauf, dürstend nach Wasser, das ich ja ich Auto vergessen habe, frage ich mich die ganze Zeit, ob ich denn nun eigentlich eine Pechsträhne oder einfach viel Glück gehabt habe. Also die elementare Frage nach dem Wasserglas welches halb leer oder halb voll ist (Ich denke, die Frage kommt wohl vom Durst). Diese Gedanken unterbreche ich, auf der Felsenspitze der Hanner Felsen angekommen, um wenigstens ein Anwesenheitsfoto zu machen (siehe oben). 

Und beim bergab gehen kommt mir die Erkenntnis: Mein Glas ist halb voll! Wenn nicht sogar ganz voll!!!
Denn:
  • es war Glatteis, aber mein Auto und ich haben keinen Kratzer abbekommen.
  • ich habe den Sonnenaufgang und den Monduntergang zwar verpasst, aber ich habe eine neue Stelle für ein zukünftiges Foto gefunden
  • ich habe eine klasse Frau, die mich mal wieder gerettet hat
Und ich hatte noch einen Grund zu lachen. 
  • Am Auto angekommen stelle ich fest, dass mein Smartphone aus dem Auto weg ist. Aber alle Türen und Fenster sind heil. Wie das? Nun, die nächste Erkenntnis: Meine Trekkinghosen haben irre viele Taschen. In einer davon ist natürlich auch mein Smartphone! Klar wie sollte es an einem solchen Glückstag auch anders sein! Und der Akku ist auch noch nicht leer...
Und jetzt freue ich mich auf den nächsten, diesmal hoffentlich ganz normalen Urlaubstag!